Wer seine Darmgesundheit im Blick hat, fühlt sich wohler. Worauf es dabei ankommt und wie das Superorgan gesund bleibt
Wenn wir nichts von ihm hören, ist alles in Ordnung. Kommt der Darm aber aus dem Gleichgewicht, merken wir das sofort: durch Durchfall, Verstopfung, Infekte oder Stimmungsschwankungen. Der Grund dafür: Das Superorgan beherbergt Hunderte von Bakterienarten, die zusammen das sogenannte Mikrobiom bilden. Wir selbst können einiges dafür tun, dass es im Gleichgewicht ist: durch vollwertige Ernährung, ausreichend Bewegung und indem wir ungesunden Stress vermeiden. Lerne mit uns dein Superorgan besser kennen!
Schon Hippokrates sagte: Der Darm ist die Wurzel aller Gesundheit. Doch wie wichtig er tatsächlich ist, beginnt die Medizin gerade erst zu verstehen. Es lohnt sich also, einen näheren Blick auf das Multitalent zu werfen:
Der menschliche Darm ist ein etwa fünf bis sieben Meter langer Muskelschlauch, der an den Magen anschließt und bis zum After reicht. Er besteht aus zwei Einheiten: Dünndarm und Dickdarm. Die beiden Abschnitte unterscheiden sich in Aufbau und Funktion, haben aber gemeinsam eine zentrale Aufgabe: Sie sorgen dafür, dass der Körper die aus der Nahrung gewonnene Energie nutzen kann.
Darmgesundheit: Verdauung und Entsorgung
Der Dünndarm verdaut den vom Magen kommenden Speisebrei, indem er die darin enthaltenen Nährstoffe in ihre Bestandteile Aminosäuren, Fettsäuren und Zucker aufspaltet. Über die Darmwand gelangen diese ins Blut und in alle Organe. Zudem nimmt die Darmwand Wasser, Salze, Vitamine sowie Verdauungssekrete auf und produziert verschiedene Botenstoffe. Diese wirken unter anderem auf den Magen und die Bauchspeicheldrüse.
Die Innenwand des Dünndarms ist stark gefaltet und bildet zusätzlich kleine Ausstülpungen (Darmzotten), die mit fadenförmigen Fortsätzen (Mikrovilli) ausgestattet sind. Dadurch vergrößert sich die Oberfläche auf 30 bis 40 Quadratmeter – etwa so groß wie eine Einzimmerwohnung. Das hilft, alle Nährstoffe optimal aufnehmen zu können.
Der Dickdarm wiederum entzieht dem nicht verdauten Darminhalt vor allem Salze sowie Wasser und dickt ihn ein. Schleim sorgt dafür, dass alles gut rutscht. Im Mastdarm werden die unverdaulichen Nahrungsreste schließlich als Kot gespeichert und über den After ausgeschieden. Doch Verdauung und Entsorgung ist nicht alles, was der Darm leistet.
Schutzschild gegen Krankheitserreger
„Über die Nahrung können leicht Krankheitserreger von außen in den Körper gelangen. Der Darm spielt daher auch eine wichtige Rolle für das Immunsystem“, sagt Dr. Marie-Christine Simon von der Universität Bonn. Die Schleimschicht, die den Darm von innen auskleidet, dient als erste Barriere gegen krank machende Keime. In der Darmwand befinden sich zudem zahlreiche Immunzellen, die entweder direkt Eindringlinge abwehren oder spezialisierte Abwehrzellen produzieren. Letztere wiederum können über Botenstoffe weitere Abwehrzentren im Körper aktivieren. Zahlreiche Bakterien im Dickdarm unterstützen die Immunabwehr des Darms.
Darmbakterien als Verbündete
Etwa 1.000 bis 1.500 verschiedene Bakterienarten können im Darm vorkommen. Jeder Mensch besitzt ein individuelles Muster aus etwa 100 bis 200 Bakterienarten. Als Schutzschicht auf der Darminnenwand verhindern sie rein mechanisch, dass sich Krankheitserreger ansiedeln. Außerdem produzieren sie antibiotisch wirkende Substanzen. Das sogenannte Darm-Mikrobiom hat aber auch noch andere Aufgaben. Aus unverdaulichen Nahrungsresten bilden die Darmbewohner die Vitamine K und B sowie andere biologisch aktive Substanzen, wie etwa Fettsäuren oder Botenstoffe. Dadurch beeinflussen sie nicht nur den Verdauungstrakt und die Immunabwehr im Darm, sondern auch verschiedene Stoffwechselprozesse im Körper – und sogar das Gehirn und unsere Psyche (siehe auch unser Interview). „Gerät das Mikrobiom im Darm durch einen akuten Infekt aus dem Gleichgewicht, fühlen wir uns sehr schnell krank. Das zeigt, wie wichtig es für unsere Gesundheit ist“, so Simon. Studien geben zudem Hinweise darauf, dass ein verändertes Darm-Mikrobiom in Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen wie Übergewicht, Diabetes, Parkinson, chronischen entzündlichen Darmerkrankungen oder Depressionen stehen könnte. Umso wichtiger ist es, den Darm gesund zu halten.
So funktioniert der Darm
Der Mensch ist, was er isst!
Eine bunte Vielfalt an verschiedenen Lebensmitteln liefert alle wichtigen Stoffe, die den Darm und die Darmbakterien unterstützen. Wir stellen die wichtigsten Helfer für ein gutes Bauchgefühl vor.
Um ausreichend davon aufzunehmen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung:
- Gemüse und Obst: fünf Portionen täglich
- Hülsenfrüchte: mindestens einmal pro Woche
- Nüsse: eine kleine Handvoll täglich
- Vollkorn- statt Weißmehl
- Milch und Milchprodukte: eine kleine Portion täglich
Was der Darm noch mag
Neben der Ernährung gibt es noch weitere Tipps für die Darmgesundheit:
- Bewegung aktiviert die Darmmuskulatur, sodass der Nahrungsbrei weitertransportiert wird. Auch das Darm-Mikrobiom profitiert davon, denn ungesunde Bakterien werden so schneller wieder ausgeschieden. Besonders gut eignen sich Aktivitäten wie leichtes Joggen, Yoga oder Schwimmen. Sehr intensives Training dagegen hemmt den Verdauungsapparat.
- Ausreichend trinken kann Verstopfungen vorbeugen – vor allem bei einer ballaststoffreichen Ernährung. Denn Ballaststoffe brauchen ausreichend Flüssigkeit, um aufzuquellen und den Stuhlinhalt zu vergrößern. Das vergrößerte Volumen dehnt die Darmwände und regt dadurch die Darmmuskulatur an. Etwa 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit sollten es pro Tag sein, am besten Wasser oder ungesüßter Kräutertee. Auf gezuckerte Getränke wie Limonade oder Eistee besser verzichten, denn zu viel Süßes kann Blähungen auslösen.
- Selbst kochen: Viele Fertiggerichte enthalten neben viel Zucker, Fett und Salz auch häufig Zusatzstoffe wie etwa Konservierungsmittel. Diese können die Darmbakterien aus dem Gleichgewicht bringen.
- Negativen Stress vermeiden: ChronischerStress kann das Darm-Mikrobiom verändern, die Beweglichkeit des Darms reduzieren und Entzündungen im Darm fördern. Ausreichend Schlaf, regelmäßige Bewegung und Entspannungsübungen wie autogenes Training können helfen, Stress abzubauen.
- Gründliches, langsames Kauen zerkleinert die Nahrung, Magen und Darm können sie dann besser verarbeiten. Außerdem enthält der Speichel Verdauungsenzyme, die bereits Vorarbeit leisten und den Speisebrei vorverdauen.
- Routinen helfen dem Darm, gut zu funktionieren. Dazu gehört vor allem, auf regelmäßige Mahlzeiten und den regelmäßigen Toilettengang zu achten – auch am Wochenende und im Urlaub.
Unsere Expertin:
Lebensmittel für deine Darmgesundheit
Fermentiertes Gemüse (z. B. Kimchi, Sauerkraut) sind eine gute Quelle für Präbiotika
Sauermilchprodukte (z. B. Joghurt, Kefir, Ayran) sind reich an Probiotika
Hülsenfrüchte (z. B. Erbsen, Linsen) sind ballaststoffreich und halten lange satt
Gekochte und dann abgekühlte Kartoffeln liefern viel resistente Stärke als Nahrung für die Darmbakterien
Gewürze (z. B. Kümmel, Fenchel) regen die Produktion von Verdauungssäften an
Beeren (z. B. Himbeeren, Heidelbeeren etc.) enthalten viele Ballaststoffe sowie entzündungshemmende Pflanzenstoffe
Zwiebelgemüse (z. B. Lauch, Zwiebeln) füttert auch die Darmbakterien
Vollkorngetreide (-produkte) wie Haferflocken oder Vollkornnudeln sind ballaststoff- und mineralstoffreich
Trockenfrüchte (z. B. Dörrpflaumen, Aprikosen) fördern die Verdauung
Flohsamenschalen sind ein gutes Hausmittel bei Verdauungsproblemen wie etwa Durchfall oder Verstopfung
Interview
Die Verbindung zwischen Darm und Gehirn
Darm und Gehirn stehen in engem Kontakt. Inwiefern das auch unsere Psyche beeinflussen kann, erklärt Professor Andreas Stengel, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie im Interview.
Was hat der Darm mit unserem Gehirn zu tun?
Tatsächlich sind der Darm und das Gehirn ganz eng miteinander verbunden: Der Darm steht über unsere Nahrung in ständigem Kontakt mit der Umwelt. Darüber tauscht er sich mit dem Gehirn aus, und zwar mithilfe von Nerven und im Blut zirkulierenden Botenstoffen. Diese Verbindung nennt man auch Darm-Gehirn-Achse.
Können wir diese enge Verbindung spüren?
In der Regel merken wir davon nichts. Aber bestimmte Situationen, etwa Stress oder Angst, können unmittelbar Reaktionen im Magen-Darm-Trakt hervorrufen. Wir haben dann zum Beispiel „ein schlechtes Bauchgefühl“ oder Beschwerden wie Durchfall. Störungen der Darm-Gehirn-Achse können auch dazu führen, dass sich die Symptome verselbstständigen und zu einem chronischen Problem werden. Das ist zum Beispiel beim Reizdarmsyndrom der Fall.
Inwiefern kann der Darm auch die Stimmung beeinflussen?
Wir wissen zum Beispiel, dass Menschen mit chronischen Magen-Darm-Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom häufiger eine psychische Erkrankung wie etwa eine depressive Störung entwickeln. Umgekehrt gilt das Gleiche: Psychische Probleme erhöhen auch das Risiko für Magen-Darm-Erkrankungen.
Welche Rolle spielen die Darmbakterien dabei?
Darmbakterien beziehungsweise das Darm-Mikrobiom sind ein wichtiger Bestandteil der Darm-Gehirn-Achse. Fachleute sprechen daher manchmal auch von der Mikrobiom-Darm-Gehirn-Achse. Wir beginnen gerade erst zu verstehen, welche Funktionen das Mikrobiom im Darm hat. Untersuchungen an Tieren und erste experimentelle Studien an Menschen weisen etwa darauf hin, dass es nicht nur bestimmte Darmfunktionen steuert, sondern auch auf das Gehirn wirkt.
Sind also Darmbakterien daran schuld, wenn Menschen depressiv werden?
Es gibt tatsächlich einen Zusammenhang zwischen einem veränderten Mikrobiom und psychischen Problemen wie depressiven Störungen und Angststörungen. Bislang ist aber noch nicht klar, was dabei die Ursache und was die Folge ist: Fördert ein verändertes Mikrobiom die Entstehung einer psychischen Störung? Oder beeinflusst umgekehrt eine psychische Störung die Essgewohnheiten, die dann das Mikrobiom erst verändern?
Auch neurologische Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson sollen mit einem veränderten Darm-Mikrobiom in Zusammenhang stehen.
Hier gilt das Gleiche: Noch wissen wir nicht, was zuerst da war, die Erkrankung oder das veränderte Mikrobiom. Einzig beim Reizdarmsyndrom weiß man inzwischen, dass neben einer Störung der Darm-Gehirn-Achse auch das Mikrobiom an der Krankheitsentstehung beteiligt sein kann. Hier ist – neben verschiedenen anderen Maßnahmen – mittlerweile auch die Behandlung mit Probiotika ein Baustein der Therapie.
Prof. Dr. med. Andreas Stengel
Wahr oder falsch?
Rund um das Thema Darm kursieren viele Mythen. Doch was steckt dahinter?
Keine Angst vor der Darmspiegelung!
Der Gedanke an eine Darmspiegelung bereitet vielen Menschen Unbehagen. Zu Unrecht, denn der Eingriff ist in der Regel völlig schmerzfrei. Die Untersuchung ist darüber hinaus wichtig, um Darmkrebs und andere schwere Erkrankungen frühzeitig zu erkennen.
Was ist eine Darmspiegelung?
Bei einer Darmspiegelung (Koloskopie) untersuchen Ärzt:innen die Darmschleimhaut des Dickdarms, um krankhafte Veränderungen festzustellen. Dazu benutzen sie ein Koloskop. Das ist ein flexibler Schlauch (Durchmesser ca. 1 cm), an dessen Ende eine Lichtquelle und eine Videokamera sitzen. Über das Koloskop lassen sich auch winzige Instrumente einführen, um kleine Eingriffe durchzuführen.
Warum ist die Darmspiegelung so wichtig?
Die Darmspiegelung dient vor allem zur Darmkrebsfrüherkennung. Darmkrebs ist in Deutschland die zweithäufigste Krebserkrankung. Eine Darmspiegelung trägt häufig dazu bei, Krebsvorstufen zu erkennen und eine Darmkrebserkrankung zu verhindern. Auch bei unklaren Verdauungsbeschwerden und chronischen Darmerkrankungen ist die Koloskopie ein wichtiges Mittel zur Diagnosefindung.
Wie läuft eine Darmspiegelung ab?
1. Aufklärungsgespräch: Vor der eigentlichen Darmspiegelung findet ein ausführliches Gespräch statt, in dem Ablauf und Vorbereitung genau besprochen werden.
2. Vorbereitung: Um die Untersuchung durchführen zu können, sollte der Dickdarm möglichst vollständig geleert werden. Dazu trinken die Patient:innen am Abend vor und/oder am Morgen der Untersuchung ein Abführmittel mit reichlich Flüssigkeit (ca. 2–4 Liter). Auf feste Kost muss zwei bis drei Stunden vor dem Abführen bis nach der Darmspiegelung verzichtet werden.
3. Untersuchung: Wer möchte, kann ein Beruhigungsmittel erhalten, das in einen kurzen Dämmerschlaf versetzt. Die Untersuchung selbst dauert 15 bis 45 Minuten und erfolgt in der Regel ambulant, also ohne stationären Aufenthalt in der Klinik.
Bei der Darmspiegelung selbst liegen die Patient:innen bequem in Seitenlage. Die Ärzt:innen führen das Koloskop mithilfe eines Gleitmittels über den After etwa bis zum Blinddarm ein und ziehen es danach langsam wieder heraus. Dabei können sie über einen Bildschirm die Darminnenwand genau betrachten. Für eine bessere Sicht wird der Darm während der Untersuchung mit Luft oder Kohlendioxid vorsichtig geweitet, sodass sich die Darmwände entfalten. Bei Auffälligkeiten können Ärzt:innen Gewebeproben entnehmen oder sogenannte Darmpolypen direkt entfernen. Dabei handelt es sich um gutartige Wucherungen, von denen sich manche nach einiger Zeit zu Tumoren entwickeln können. Die kleinen Eingriffe sind normalerweise völlig schmerzlos. Gewebeproben werden zur weiteren Untersuchung ins Labor geschickt.
4. Nach der Darmspiegelung: Anschließend findet ein ausführliches ärztliches Gespräch statt. Die Ergebnisse von Gewebeproben liegen einige Tage später vor.
Was müssen Sie beachten?
Sie können in der Regel direkt danach wieder etwas essen und Ihrem gewohnten Alltag nachgehen.
Wer ein Beruhigungsmittel erhalten hat, sollte 24 Stunden nicht Auto fahren oder Maschinen bedienen.
Lassen Sie sich am besten von einer Begleitperson abholen.
Die BKK ProVita übernimmt im Rahmen der Krebsfrüherkennung die Kosten für eine Darmspiegelung
für Frauen ab 55 Jahren und Männer ab 50 Jahren (Wiederholung nach zehn Jahren, sofern keine Auffälligkeiten vorliegen).
Für Menschen mit einem familiären Risiko für Darmkrebs kann eine Darmspiegelung bereits früher sinnvoll sein.
Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin darüber!
Dieser Beitrag erschien zuerst in einer Kurzfassung in unserem MAGAZIN fürs LEBEN, Ausgabe 2/2024. Unser Mitgliedermagazin erscheint dreimal im Jahr und bietet dir viele spannende Themen. Jetzt die aktuelle Ausgabe online lesen!
Bei Fragen sind wir gerne für Sie da!
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