Fast lautlos durchs Wasser gleiten, während Berge, Wiesen und Wälder vorbeiziehen: Beim Kanufahren erlebst du die Natur aus einer ganz neuen Perspektive. Außerdem ist der Outdoor-Sport vielseitig: Du kannst ihn als Freizeit- oder Leistungssport, allein oder in der Gruppe, auf kurzen Touren oder beim mehrtägigen Wasserwandern erleben. On top stärkt Paddeln die gesamte Oberkörper- und Beinmuskulatur, das Herz-Kreislauf-System und die Psyche. Erfahre, welches Equipment du brauchst und wo du mit dem Kanu in See stechen kannst.

Rechts, links, rechts, links … Wenn Anika Roder mehrmals pro Woche im Kanu sitzt, folgt ein Schlag auf den anderen. So kann sie ihren Bewegungsdrang ausleben, die Gedanken schweifen lassen und die Natur um sich herum genießen. „Unterwegs auf dem Wasser bin ich wie in einer anderen Welt“, erklärt die 47-jährige Vizepräsidentin des Landes-Kanu-Verbands Berlin, die 2014 nach einer Knieverletzung zum Paddeln kam. Was sie außerdem begeistert, ist die immense Bandbreite beim Kanufahren: Sich in ein Kanu zu setzen und von der Stelle zu bewegen, gelingt laut Anika Roder fast jedem. Die richtige Technik, Körperhaltung und korrekten Bewegungsabläufe könne man mit Anleitung und Übung lernen.

Kanu, Kajak, Canadier – was ist was?

Zum Ausprobieren empfiehlt die Spezialistin Schnupperkurse von Vereinen, die es deutschlandweit gibt. Neueinsteiger:innen können sich hier mit Kajaks und Canadiern vertraut machen. Beide fallen unter den Oberbegriff Kanu, beide werden mit Muskelkraft in Blickrichtung bewegt: Kajaks sitzend mit einem längeren Doppelpaddel, Canadier kniend oder sitzend mit einem kürzeren Stechpaddel. Weil die ursprünglich aus der Arktis kommenden Kajaks schneller, wendiger und mit einem Spritzschutz versehen sind, eignen sie sich für eher sportliche Unternehmungen. Canadier, die früher Ureinwohner:innen Nordamerikas als Transportmittel dienten, sind breiter, bieten Platz für mehr Passagier:innen und Zuladung. Außerdem erleichtern sie mit ihrer offenen Bauweise das Ein- und Aussteigen und sind gut für gemächlichere Touren.

Paddeln: Für jeden gibt’s die passende Strecke

Mitglieder können das Material ihres Vereins benutzen. Eine Alternative ist das stunden- oder tageweise Ausleihen von Kajaks und Canadiern bei kommerziellen Anbietern, die sich in beliebten Kanurevieren und vielen Ferienregionen finden. Wer selbst ein Kanu kaufen will, kann zwischen aufblasbaren, Falt- und Festrumpfmodellen wählen. Die Preise variieren je nach Material, Gebraucht- oder neuen Kanus zwischen einigen hundert und mehreren tausend Euro. Noch größer ist die Vielfalt der möglichen Einsatzorte: Laut dem Deutschen Kanu-Verband gibt es hierzulande rund 40.000 Gewässerkilometer für Paddler:innen – von beschaulichen Flüsschen oder Seen für Anfänger:innen und Familien bis zu herausfordernden Stromschnellen in Gebirgsbächen, wo Könner:innen ihren Spaß haben.

Kanutouren: Work-out ganz nebenbei

Doch egal, auf welchem Level – die eigene Fitness profitiert auf jeden Fall: Paddeln stärkt den gesamten Oberkörper von der Schulter- über die Arm- bis zur Bauch- und Rückenmuskulatur. Weil die Beine beim Stabilisieren des Körpers unterstützen, werden auch sie ohne Belastung der Gelenke trainiert – und auf längeren Strecken oder bei höherer Intensität das Herz-Kreislauf-System dazu. Außerdem sind positive psychische Effekte erwiesen: Paddeln entschleunigt, erleichtert das Abschalten und hebt die Stimmung. Für die Kanusportlerin Leni Gruner ist es mit „wunderschönen“ Erfahrungen verbunden. „Übers Wasser zu gleiten, erzeugt ein Gefühl der Schwerelosigkeit“, schwärmt die 18-Jährige. „Für mich gleicht es einem wachen Traum oder einem Tunnel, in den man kommt, während man sich gleichzeitig verausgabt und mental runterschaltet“ – im Sommer, wenn die Sonne warm scheint, aber auch im Morgennebel an kühleren Herbsttagen. Absolute Höhepunkte waren für die Münchnerin ihre Erfolge bei Wettkämpfen, wo sie es als Teenager mit viel Talent, Training und Disziplin in kurzer Zeit auf ein sehr hohes Niveau schaffte. Leni Gruners Fazit: „Es ist toll, auf diese Weise das eigene Potenzial auszuschöpfen.“

Richtig paddeln:

Beim Stechpaddel wird das Blatt ganz ins Wasser getaucht und nah am Kanu gleichmäßig durchgezogen. Um auf Kurs zu bleiben, abwechselnd rechts und links paddeln! Zum Steuern vermehrt rechts paddeln, wenn es nach links gehen soll, und stärker links, um nach rechts zu lenken. Zum Bremsen das Blatt quer zur Fahrtrichtung ins Wasser „stellen“. Mit einem Doppelpaddel werden die Arme abwechselnd erst lang nach vorn gestreckt, dann der Ellbogen nach hinten gebeugt, während das jeweilige Blatt ganz im Wasser eingetaucht und am Kajakrand entlang nach hinten gezogen wird. Zum Lenken in eine Richtung mehrere Paddelschläge auf der Gegenseite machen, zum Bremsen wechselseitig ein Blatt quer ins Wasser halten.

Checkliste fürs Kanu-Abenteuer:

– Das Wetter kann auf längeren Touren umschlagen. Regenjacke und wasserdicht verpackte Wechselkleidung sind unterwegs wichtige Begleiter.
 – Planung ist der Beginn jeder Paddeltour. Deshalb vor der Fahrt über das Gewässer informieren – von Ein-, Aussetz- und Gefahrenstellen über Wasserpegel bis Sperrungen.
– Verkehrsregeln gelten auf dem Wasser auch für Kanut:innen. Besonders dort, wo größere Motorboote und Schiffe unterwegs sind, helfen sie beim Verhindern von Kollisionen.
 – Erfahrene Kanut:innen sitzen zum Steuern hinten, unerfahrene Mitfahrer:innen oder Kinder vorne, sobald mehrere Personen an Bord sind.
 – Schwimmwesten sind auch für Erwachsene empfehlenswert – und für Kinder ein absolutes Muss. Wichtig ist eine bequeme Passform – egal ob Feststoff-, selbstaufblasende oder aufblasbare Variante.
 – Tipps zur Ausrüstung, Verhaltensregeln, Vereinsadressen, Termine: Der Deutsche Kanu-Verband ist die zentrale Anlaufstelle für Freizeit- und Leistungssportler.

Kanufahren: 5 schöne Touren in Deutschland

Von Nord- und Ostseeküste über Seen und Flüsse bis zu Wildwasserrevieren an den Alpen: Deutschlandweit eignen sich rund 40.000 Gewässerkilometer für wassertouristische Aktivitäten – egal ob für Anfänger:innen, Fortgeschrittene oder Cracks. Unterwegs steht das Naturerlebnis an erster Stelle. Aber es gibt auch Städte wie Hamburg oder Berlin, die sich gut mit Canadier und Kajak erkunden lassen. Wer auf eigene Faust paddelt, sollte sich mit Flussführer:innen des Deutschen Kanu-Verbands, Wassersportkarten oder Kanu-Reiseführern über den Streckenverlauf informieren.

Spreewald

Am Ende der letzten Eiszeit entstand vor rund 20.000 Jahren nördlich von Cottbus mit dem Einsetzen der Gletscherschmelze ein feingliedriges Netz aus sogenannten Fließen. Bis heute durchziehen über 1.000 Kilometer Wasserwege das UNESCO-Biosphärenreservat Spreewald. 300 Kilometer davon sind befahrbar – durch Wälder und Auenlandschaften, vorbei an idyllischen Dörfern und Höfen. Kanuverleiher sind in mehreren Orten von Burg über Lübben bis Schlepzig und Vetschau aktiv. Wer sich lieber entspannt zurücklehnen möchte, kann eine Kahnfahrt buchen, bei der Fährmänner oder -frauen einen Spreewaldkahn mit einem vier Meter langen Rudel aus Eschenholz staken und steuern.

Altmühltal

Vor rund 150 Millionen Jahren gab es in Bayern ein flaches, tropisches Meer. Seine Ablagerungen versteinerten im Lauf der Zeit, seine ehemaligen Bewohner verwandelten sich in Fossilien. Später gruben sich Urdonau und Altmühl immer tiefer in die Gesteinsschichten, wodurch ein Tal und Felsformationen an seinen Seiten entstanden. Mal breiter, mal schmaler begleitet es Paddler:innen auf fast 160 Flusskilometern von Gunzenhausen nach Beilgries durch den Naturpark Altmühltal. Unterwegs auf dem langsamsten Fluss Bayerns laden gemütliche Orte oder Besonderheiten wie die Gungoldinger Wacholderheide zum Anlegen ein. Viele Verleihstationen übernehmen auch den An- und Abtransport der Boote und des Gepäcks sowie den Rücktransfer der Gäste zum Ausgangspunkt.

Mecklenburgische Seenplatte

1.117 natürliche Seen bilden das größte vernetzte Wassersportrevier Europas, zu dem der Müritz-Nationalpark und sieben weitere Naturparks gehören. Kenner:innen vergleichen die Region gerne mit Skandinavien: EinsameBuchten, schilfbewachsene Ufer und Seerosenparadiese, die bis Ende August blühen, lassen sich auf mehrstündigen Touren oder tagelangen Wasserwanderungen entdecken. Mit Camping- und Wasserwanderrastplätzen, Fischimbissen, Cafés und Gasthäusern gibt es vielerorts eine gute Infrastruktur, um neue Kraft zu tanken. Verleiher finden sich an vielen Stellen, Kanutaxis bringen Boote an einen gewünschten Ort oder holen sie dort wieder ab.

Isar

Die Isar assoziiert man meist mit München. Doch ganz anders als gleichmäßig dahinströmend und gezähmt ist sie in ihrem Oberlauf. Aus dem Karwendel kommend, mäandert sie als alpiner Wildfluss mal zwischen breiten Kiesbänken, mal durch Felsen und Schluchten. Entsprechend abwechslungsreich, aber auch herausfordernd ist hier das Kanufahren. Könner:innen und Fortgeschrittene haben ihren Spaß auf den Abschnitten vor und nach dem Sylvensteinsee. Besonders beliebt für organisierte Touren ist die Strecke von Lenggries nach Bad Tölz. Ihr Vorteil ist, dass Teilnehmer:innen vor dem Start eine Sicherheitseinweisung erhalten, mit der passenden Paddeltechnik vertraut gemacht werden und sowohl Schwimmwesten als auch Helme und Neoprenanzüge gestellt bekommen.

Lahn

Offene Ebenen, steile Hänge von Westerwald und Taunus, Burgruinen, Schlösser, handbetriebene Schleusen, Bootsrutschen und Deutschlands einziger Schiffstunnel in Weilburg: Mit 160 paddelbaren Kilometern zwischen Marburg und Lahnstein und den zwei Bundesländern Hessen und Rheinland-Pfalz ist die Lahn einer der beliebtesten deutschen Kanu-Wanderflüsse; Teile der Auenbereiche stehen als Lebensraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten unter Naturschutz. Beim entschleunigten Paddeln auf der Lahn, die wegen ihrer geringen Fließgeschwindigkeit als perfekter Übungsfluss gilt, kann man mit etwas Glück seltene Eisvögel oder auch Reiher beobachten.

Natur genießen und dabei fitter werden: Kanufahren tut Seele und Körper gut.

„Unterwegs auf dem Wasser bin ich wie in einer anderen Welt.“


Dieser Beitrag erschien zuerst in einer Kurzfassung in unserem MAGAZIN fürs LEBEN, Ausgabe 2/2024. Unser Mitgliedermagazin erscheint dreimal im Jahr und bietet dir viele spannende Themen. Jetzt die aktuelle Ausgabe online lesen!

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